Leben in Berlin
Kampf der Giganten um Tempelhof
Sonntag, 6. April 2008, 16:35
Am 27. April 2008 findet ein Bürgerentscheid statt. Abgestimmt wird darüber, ob Tempelhof ein Verkehrsflughafen bleiben soll. Nun hängen Plakate in der Stadt, die für oder gegen Tempelhof werben. Oder sollte man besser sagen "Stimmung machen"? Denn mit sachlichen Argumenten haben die Informationstafeln nicht viel zu tun.

Die Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof e.V. (ICAT) wirbt auf großformatigen Plakaten mit dem Slogan "Alle Macht geht vom Volke aus" und suggeriert den Berlinern, etwas gegen die "Willkür" des Senats tun zu können. Und welcher politische Fustrierte möchte nicht gern "den da oben eins reinwürgen"?

Dumm nur, dass laut Berliner Verfassung ein Volksentscheid laut § 62, Absatz 1 nicht nur darauf ausgerichtet sein kann, Gesetze "zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben", sondern eben auch "nur" ein Instrument der "politischen Willensbildung" ist. Somit fällt der Plan, dem Senat eins reinzuwürgen, flach. Tempelhof ist nun einmal kein Gesetz, das geändert werden könnte. Das Ergebnis des Volksentscheids bleibt damit für den Senat eine Willensbekundung und Entscheidungshilfe für die Politiker, die allerdings rechtlich nicht bindend ist. Diese Tatsache scheint ICAT-Chef Andreas Peter jedoch zu vernachlässigen, wenn er verlauten lässt, dass die Berliner mobilisiert werden müssten, ihre Stimme abzugeben.

Auch der Verbund der Gegner eines Verkehrsflughafens Tempelhof, darunter die LINKE und die SPD, fahren eine emotionale Schiene. "Ick zahl doch nicht für einen VIP-Flughafen", sagt ein Bauarbeiter. Und von einer jungen Mutter mit ihrem Säugling auf dem Arm heißt es: "Flughafen für Superreiche? Wir lassen uns doch nicht auf den Arm nehmen!" Was haben sich die Tempelhof-Gegner dabei gedacht? Kinder sind immer gute Werbeträger, und wenn man die mit sozialistischen, antikapitalistischen Parolen kombiniert, müsste etwas Gutes bei herauskommen? Ja, so kann man sicher Massen von bildungsfernen Berlinern aus ihren Jobcenter-bezuschussten Wohnungen herauslocken, um ein Kreuzchen bei "Nein" zu machen!

Dabei verdient Tempelhof mehr als diese unsachliche Stimmungsmache. Tempelhof ist vielen älteren Berlinern als Schauplatz der lebensrettenden Luftbrücke im Sommer 1948/49 in Erinnerung. Vielen fällt es schwer, diesen Flughafen nicht mit diesem wichtigen Ereignis zu verbinden. Außerdem ist Tempelhof ein architektonisches Zeugnis des nationalsozialistischen Größenwahns und bequemer City-Airport durch die Zeit des geteilten Deutschlands.

Bei aller geschichtlichen Bedeutung darf aber die heutige Situation nicht vergessen werden: Tempelhof ist ein gigantischer Gebäudekomplex, der zu großen Teilen leer steht und dessen Nutzung mit dem geplanten Flughafen Berlin-Brandenburg-International (BBI) kollidiert. Es geht um Arbeitsplätze für diese Stadt und um ein sinnvolles Nutzungskonzept für das 386 Hektar (und damit etwa dem Central Park in New York entsprechende) große Gelände. Schließlich ist Tempelhof nicht nur eine Erinnerung, sondern auch ein Teil der Berliner Zukunft.


Weitere Informationen:

Informationen zum Ablauf eines Volksentscheids:
http://www.wahlen-berlin.de

Paragrafen zum Volksentscheid in der Berliner Verfassung:
http://www.berlin.de/rbmskzl/verfassung/abschnitt5.html

Nutzungskonzept der ICAT:
http://flughafen-berlin-tempelhof.de/Konzepte.html

Ideendialog des Berliner Senats zum Flughafen Tempelhof:
http://www.berlin.de/flughafen-tempelhof/discoursemachine.php

Ergebnisse des Planungsprozesses Tempelhof:
http://www.berlin.de/flughafen-tempelhof/discoursemachine.php?%20page=viewcompiler&id_view=22

Kommentieren