Leben in Berlin
Ein architektonischer Streifzug durch den Wedding
Dienstag, 31. Juli 2007, 15:19
Der Wedding hat eine Menge Architektur zu bieten. Weitaus weniger offensichtlich als am Potsdamer Platz oder auf der Friedrichstraße existieren die Weddinger Architektur-Perlen eher im Verborgenen.

Wussten Sie zum Beispiel, dass der Wedding ein Architekturdenkmal hat, das in das UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen werden soll? In den 1920er Jahren baute Bruno Taut für die heutige Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 zwischen Holländerstraße und Barfusstraße Backsteinhäuser im Stil der „Neuen Sachlichkeit“. Hans Hoffmann erweiterte die Siedlung und verwirklichte hier in den 50ern das „Transparente Wohnen“ mit großen Fensterfronten, Balkons und grünen, großzügigen Innenhöfen.

Nur ein paar Schritte weiter liegt der zwischen 1909 und 1913 angelegte Schillerpark, eine der grünen Lungen des Weddings und der erste Volkspark Berlins. Rechts der Barfusstraße wird der Park hauptsächlich als Liegewiese zum Picknicken genutzt, links der Straße befindet sich die Burg mit dem Schillerdenkmal und natürlich der Fußballwiese. Abends und am Wochenende treffen sich hier alle möglichen Nationen, umsäumt von Familien, um gegeneinander anzutreten.


Bandshooting mit der Band Grenztanz im Schillerpark (2002) (C) Mit freundlicher Genehmigung von S. Dürrhauer

Hinter dem Schillerpark ragt eine Ikone der Berliner Industriekultur auf. Im ausgehenden 19. Jahrhundert als Bergmann-Elektricitäts-Werke gegründet, wurde sie später als Osram-Werke berühmt. Wenn man „zu Osram“ fahren wollte, wusste der Taxifahrer, wohin er musste. Heute sind die OsramHöfe ein bedeutendes Gewerbezentrum, in dem sich nicht nur die Arbeitsagentur, sondern auch die S.O.S. Kinderhilfe e.V., ein Ärztezentrum, das Berliner Herzzentrum der Charité, Atelco und viele andere Unternehmen angesiedelt haben.

Von den S-Bahn-Gleisen am Gesundbrunnen aus sieht man ein weiteres architektonisches Kuriosum: Den von den Nationalsozialisten erbauten Gesundbrunnen-Bunker. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte er gesprengt werden, aber die Konstruktion erwies sich als so robust, dass es bei einem Sprengungsversuch blieb, nicht nur, weil die nahegelegenen U-Bahn-Anlagen in Mitleidenschaft gezogen worden wären. Man ließ den Bunker stehen und funktionierte ihn im Kalten Krieg zum Atomschutzbunker für immerhin 1300 Personen aus. Heute ist er eine Attraktion, die man bei Führungen der Berliner Unterwelten e.V. besichtigen kann.

Weniger bekannt ist, dass sich der Architekt Mies van der Rohe von 1925-27 in Wedding betätigte. Die Häuser der Afrikanischen Str. 19 bis 41 gehören zu den einzigen Bauwerken, die Mies van der Rohe im Berlin der 1920er Jahre errichtete. Für den heutigen Geschmack sehen die Häuser schmucklos aus. Doch die meisten Berliner lebten damals in Mietskasernen, in beengten und teilweise ungesunden Verhältnissen. Mies van der Rohes Wohnbauten boten funktionalen Wohnraum und vor allem mehr Platz für die Familien.


Ansicht der OsramHöfe von der Seestr. in die Oudenarder Str. hinein.
(freundlicherweise zur Verfügung gestellt von http://www.osramhoefe.de)

Nur einen Steinwurf von Mies van der Rohes Bauten liegt der in den späten 20er Jahren erbaute Volkspark Rehberge, der seinen Namen skurrilerweise nach einer Hügelgruppe im Gebiet des heutigen Schillerparks erhalten hat. Dass die Hügel „in'ner Rehberje“ eigentlich Leutnantsberge heißen, ist heute größtenteils unbekannt. Auf dem 70 Hektar großen Gelände lässt es sich ausgedehnt spazieren gehen, sich in der Sonne auf einer der vielen Liegewiesen aalen oder Minigolf spielen. Man kann Eis essen oder eines der Wildtiergehege besichtigen. Mitten in den Rehbergen befindet sich ein ehemaliges Hitlerjugendheim, das heute als Freizeitstätte für Menschen mit geistigen Behinderungen dient.

Zudem kann der Wedding auch mit schinkelschen Kirchenbauten aufwarten. Vier Vorstadtkirchen baute Friedrich Schinkel insgesamt. Eine davon ist die Kirche St. Paul in der Badstraße, die andere die Nazarethkirche am Leopoldplatz, wo auch regelmäßig ein Wochenmarkt, u.a. mit Bio-Produkten aus der Region, stattfindet.

Nicht zuletzt hat auch die moderne Architektur Einzug in den Wedding gefunden. Das Gebäude der Bayer Schering Pharma AG ist aus dem Arial zwischen Müllerstraße, Fennstraße und Sellerstraße nicht mehr weg zu denken, auch wenn das dazu gehörige Parkhaus nicht unbedingt zu den schönsten Bauwerken des Ortsteils gehört...

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mark793, 5. August, 17:29
Die Mies-van-der-Rohe-Häuser haben mich auch spontan an das Stuttgarter Weißenhof-Viertel erinnert - und der Kollege, der uns dann auch den Volkspark Rehberge zeigte, bestätigte den Bauhaus-Background dieser Bauten.

Der Kollege wohnt übrigens in der Seestraße. Und bei mehreren Besuchen dort habe ich diesen Bezirk sehr schätzen gelernt.
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